von Jeanette Kettler
Wenn meine Kinder mir mal wieder Achtsamkeits-Unterricht erteilen …
Eigentlich finde ich es schon ziemlich achtsam, mit meiner vierjährigen Tochter zu backen. Ich könnte es ja schnell selbst machen. Der Kuchen wäre ruckzuck im Ofen, die Küche wäre nur halb so dreckig und die Zeit bis zum nächsten Haarewaschen wäre auch länger, weil sich keine Backzutat darin verfangen kann. Aber ich will es anders: Ich will, dass meine Kinder wissen, was in einem Kuchen drin ist, wie die Zutaten verarbeitet werden und wie aus einer pampigen Masse ein fluffiger Teig werden kann. Also nehme ich das alles in Kauf und freue mich über achtsame Familienzeit.
… und ich keine Kosten habe, …
Alles war wie immer. Da wir schon lange zusammen backen, kann meine Tochter mittlerweile auch alleine die Eier aufschlagen … und ich lasse sie, zugegeben, mit ein paar Zuckungen im Handgelenk. Doch diesmal ging etwas daneben… Nicht über den Tassenrand, in die sie die Eier schlägt – das ist vollkommen normal und akzeptiert. Nein, es fielen zwei kleine Eierschalen mit rein …
… aber dafür einen hohen Gewinn.
Ich wartete also ohne Bewertung einen kurzen Moment ab … und dann kam ein: „Oh, da ist Schale drin. Mama, kannst du mir bitte einen Löffel geben?“ Und da ging es in meinem Kopf los: Nee, das klappt nicht … so eine Eierschale im Eidotter ist echt hartnäckig. Die glitscht eh nur weg … da gibt es bestimmt irgendwie eine Internetseite mit Lifehacks. Ich glaube mal gesehen zu haben, dass es besser geht, wenn man den Löffel nass macht, bevor man anfängt. Ach komm, lass es lieber gleich mich machen. Während ich meinem inneren Dialog zuhörte, machte meine Tochter das einfach mögliche: Sie fischte mit drei Anläufen zwei kleine Eierschalen aus einer Tasse mit 4 Eier – Respekt! Mein innerer Monolog stoppte … fast professionell sagte ich lediglich: Du hast die Eierschale alleine aus der Tasse gefischt. Und da war es mein Learning: Ich konnte den Hinweis, dass es eine echt komplizierte Sache werden könnte, glücklicherweise für mich behalten und habe meiner Tochter dadurch vermutlich eine Blockade erspart. Danke an mich selbst! Als ich ein bisschen später nochmal darüber nachdachte, kam mir ein Spruch in den Kopf, den mein Mann jahrelang in seinem Büro hängen hatte, der das alles noch zusammenfasst und mir hoffentlich auch zukünftig hilft bei Bedarf meine Klappe zu halten:
„Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat’s gemacht.“ (Autor unbekannt)
Über die Autorin:
Jeanette Kettler ist Sozialpädagogin, Entspannungspädagogin und LIEBLINGSFACH-Trainerin. Im beruflichen Leben arbeitet sie an einer hessischen Grundschule und versucht dort tagtäglich Impulse und Perspektivwechsel zum Thema Achtsamkeit, Selbstfürsorge und Wertschätzung an Lehrer*innen und Schüler*innen weiterzugeben. Nebenberuflich unterrichtet sie nicht nur Studierende, sondern gibt auch die Achtsamkeits-Workshops „Wohlfühlzeit“ in Obertshausen, Seligenstadt und Rodgau u.a. mit den Lieblingsfach-Inhalten. Im privaten Leben ist sie Mensch, Frau und Mutter und versucht auch dort ihr Wissen zum Thema Achtsamkeit zu leben. Klappt mal mehr und mal weniger gut. Zum Glück dürfen wir lernen – das ganze Leben lang!