Ich war als Kind sehr angepasst. Immer gut gelaunt. Habe es allen recht gemacht. Dadurch sind natürlich meine Antennen nach außen besonders gut gewachsen, ich musste ja wissen, was die Anderen brauchten. Meine inneren Antennen verkümmerten dagegen nach und nach. Ich weiß gar nicht mehr, ob es so von mir erwartet oder verlangt wurde oder ob ich mir das selber alles auferlegt habe, um ein braves Kind zu sein.
Heute war bei uns ein traurig und wütend-Tag.
Jetzt in dieser besonderen Zeit in der wir so viel Zeit miteinander verbringen als Familien, passiert es natürlich, dass die Kinder neben all der ganzen kreativen und neugewonnenen Freiraumzeit auch einige anstrengendere Gefühle dazu entwickeln. Wut zum Beispiel. Oder Traurigkeit, dass alle ihre Freunde plötzlich nicht mehr greifbar sind. Heute war bei uns so ein Tag ein traurig und wütend-Tag.
Wutentbrannt stürzt eines meiner drei Kinder aus dem Haus.
Ich hinterher. Wir laufen mit vielen Metern Abstand zu einem See, der in der Nähe unseres Hauses ist. Doch das Kind will eindeutig nichts mit mir zu tun haben, ist einfach nur wütend. Also setze ich mich auf eine Bank und warte. Meine Tochter rennt, mich keines Blickes würdigend, an mir vorbei. Nach mindestens 10 Minuten setzt sie sich auf einen dicken Stein. Ein paar Meter von mir entfernt. Ich wage einen nächsten Versuch und setze mich auf einen anderen Stein und biete ihr an, für sie da zu sein. Das will sie nicht. Sie ist wütend auf alles, sagt sie. Und traurig noch dazu. Sie weint. Ich bleibe sitzen auf dem Stein, während sie weint. Frage sie, ob ich bei ihr bleiben soll. Sie sagt nein. Ich bleibe trotzdem. Sitze da. Halte es aus, dass sie mich nicht sehen möchte. Sitze da und bin einfach nur bereit dafür, wenn sie mich brauchen könnte. 5 Minuten. 10 Minuten. Plötzlich springt sie von ihrem Stein auf, rennt zu mir hinüber und schmeißt sich in meine Arme. Wir halten uns Minuten lang fest umschlungen.
Heilung – für uns beide.
Dann bedanke ich mich bei ihr. Dafür, dass ich nun wirklich fühlen kann, dass jedes Gefühl richtig ist. Und dass ich sie als Mama auf keinen Fall weniger lieben könnte, weil sie wütend oder traurig oder eben einfach gerade nicht besonders angepasst ist. Und das ich das als Kind einfach nicht wusste und mich nie getraut habe, so zu sein wie ich bin und meine Gefühle zu zeigen.
Sie schaut mich an und sagt: „Nicht wahr Mama, wir lieben uns so wie wir sind. Und heute vielleicht sogar ein bißchen mehr, weil ich wütend war.“
Ich wünsche dir viel Heilung durch das Anerkennen der Gefühle deiner Kinder und damit auch deiner Gefühle.
Deine Tina
Ein weiterer BLOG beitrag zu diesem Thema:
Dein Beitrag könnte treffender nicht sein. Genau so einen Tag hatten wir heute! Danke für diese heilende Sichtweise!
Liebe Annie, so gerne. Ich danke dir für dein feedback. Und wünsche dir und euch ein wundervolles Familienleben – mit allem pipapo. :))