Wir wissen, dass Achtsamkeit eine wunderbare Fähigkeit ist, die das Leben von Kindern und Eltern gleichermaßen bereichern kann. Sie stärkt nicht nur die emotionale und mentale Gesundheit, sondern verbessert auch das allgemeine Wohlbefinden. Aber Hand aufs Herz: Wie bringt man Kindern Achtsamkeit in Bezug auf ihre eigenen Gefühle bei, besonders in Momenten, in denen sie emotional aufgewühlt sind und scheinbar von ihnen übermannt werden?
Stellen wir uns einen ganz normalen Sonntagnachmittag vor: Die Familie verbringt eine ruhige Zeit zusammen, ein Freund des Kindes ist zu Besuch, und die Stimmung ist entspannt. Doch plötzlich kippt die Harmonie: Das Kind und sein Freund stürmen in die Küche, aufgelöst und kurz vor den Tränen; unfähig, zu erklären, was passiert ist. Ihre Gesichter sind rot vor Aufregung, und sie schnappen nach Luft, während sie versuchen, ihre Gefühle zu ordnen. Situationen wie diese kennen Eltern nur zu gut – und sie lassen sich oft nur schwer entschlüsseln. Warum reagiert das Kind heute so stark auf eine Kleinigkeit? Woher kommen plötzliche Wutausbrüche oder Ängste? Diese Fragen können herausfordernd sein, und manchmal scheint es unmöglich, hinter die Fassade der kindlichen Emotionen zu blicken.
Dabei ist es wichtig, sich bewusst zu machen: Selbst für Erwachsene kann es schwierig und überfordernd sein, Emotionen achtsam wahrzunehmen, zu verstehen und zu regulieren. Wie sollen Kinder das also ohne unsere Unterstützung bewältigen? Genau hier können sprachliche Bilder helfen – einfache Metaphern, die es Kindern ermöglichen, ihre Emotionen zu erkennen und zu benennen. Diese bildhaften Darstellungen schaffen einen Zugang zu Gefühlen, die oft schwer in Worte zu fassen sind, und helfen Kindern, sich selbst besser zu verstehen.
Sprachliche Bilder: Eine Brücke zwischen Gefühl und Verstand
Das Nutzen von Bildern in der Sprache ist ein bewährtes Mittel, um emotionale Prozesse greifbarer zu machen. Indem wir vertraute Bilder verwenden, helfen wir Kindern, ihre Gefühle zu beschreiben und ein Bewusstsein für sie zu entwickeln. Solche Bilder bieten nicht nur eine emotionale Orientierung, sondern auch einen Ansatz zur Selbstregulation. Hier sind einige besonders wirksame Beispiele:
1. Der Frust-Tornado:
Wenn ein Kind von Gefühlen überwältigt wird und sich wie in einem Wirbelsturm fühlt, kann das Bild eines Tornados helfen: „Es ist, als ob in dir ein Tornado tobt, der alles durcheinanderwirbelt. Aber wenn wir uns hinsetzen und tief atmen, beginnt der Tornado sich zu beruhigen, und die Dinge können sich wieder an ihren Platz legen.“ Dieses Bild vermittelt dem Kind, dass es die Kraft hat, den Sturm in sich zu beeinflussen.
2. Der ruhige Anker:
Wenn die Welt um ein Kind herum chaotisch erscheint, kann die Vorstellung eines Ankers Sicherheit geben: „Stell dir vor, du bist ein Boot auf einer stürmischen See. Dein Atem ist dein Anker. Je ruhiger und tiefer du atmest, desto stärker hält der Anker dich fest und verhindert, dass du von den Wellen mitgerissen wirst.“ Diese Metapher lehrt Kinder, wie sie ihren Atem nutzen können, um Ruhe zu finden.
3. Der Ballon-Trick:
Für Kinder, die sich angespannt fühlen, ist diese Übung eine wunderbare Methode zur Entspannung: „Stell dir vor, du bist ein Ballon. Wenn du einatmest, füllt sich der Ballon mit Luft. Wenn du ausatmest, lass die Luft langsam und kontrolliert herausströmen, bis der Ballon weich und entspannt ist.“ So wird Atemarbeit spielerisch erfahrbar.
4. Der Löwen-Atem:
Diese Atemübung kombiniert Bild und Bewegung: „Stell dir vor, du bist ein mächtiger Löwe, der seine Wut herausbrüllt. Atme tief ein und brülle leise wie ein Löwe, während du ausatmest (ein starkes Ausatmen mit einem ‚Haaa‘-Geräusch). Jetzt, da du die Wut herausgelassen hast, fühlt sich dein Körper ruhiger an.“ Diese Übung hilft Kindern, angestaute Energie zu lösen und sich zu entspannen.
5. Der Gefühlszug:
Um die Schnelllebigkeit von Emotionen zu erklären, eignet sich dieses Bild: „Deine Gefühle sind wie Züge, die durch deinen Kopf fahren. Manchmal ist es der Wut-Zug, manchmal der Trauer-Zug und manchmal der Glücks-Zug. Wir können die Züge nicht stoppen, aber wir können entscheiden, ob wir einsteigen und mitfahren oder am Bahnhof stehen bleiben und sie vorbeiziehen lassen.“ Kinder lernen, dass Emotionen kommen und gehen und dass sie nicht immer reagieren müssen.
6. Der Vulkan im Bauch:
Wut ist ein starkes Gefühl, das Kinder oft überfordert. Das Bild eines Vulkans hilft, diese Energie zu verstehen: „Wenn du wütend bist, fühlt es sich an, als ob ein Vulkan in deinem Bauch brodelt. Lass uns tief atmen, um die Lava langsam abzukühlen, bevor sie ausbricht.“ Kinder lernen so, wie sie ihre aufsteigende Wut regulieren können.
7. Der innere Wetterbericht:
Dieses Bild kann im Alltag helfen, Gefühle zu benennen: „Wie fühlt sich dein Inneres heute an? Ist es sonnig, regnerisch oder gibt es ein Gewitter? Denke daran, dass kein Wetter ewig bleibt – es ändert sich. Was können wir tun, um den Tag ein wenig sonniger zu machen?“ Diese Übung fördert die Reflexion und zeigt, dass alle Gefühle temporär sind.
Wenn diese Übungen in den Alltag integriert werden, werden die Kinder sie bald ganz von selbst anwenden, ihre Umwelt mit anderen Augen sehen und auf die Idee eigener, kreativer Bilder kommen – welche wiederum den Eltern helfen werden, es besser zu verstehen.
Emotionale Intelligenz fördern: ein Gewinn für das Leben
Sprachliche Bilder sind also viel mehr als nur Worte – sie sind Werkzeuge, die die Achtsamkeit und die emotionale Intelligenz fördern. Kinder, die lernen, ihre Gefühle durch Bilder zu erkennen und zu benennen, profitieren in vielerlei Hinsicht:
- Selbstkontrolle: Die Fähigkeit, starke Emotionen zu regulieren, reduziert impulsives Verhalten und hilft, überlegte Entscheidungen zu treffen.
- Selbstvertrauen: Kinder, die ihre Emotionen verstehen und steuern können, fühlen sich sicherer mit sich selbst und ihrer Umwelt und sind somit motivierter, neue Herausforderungen anzunehmen.
- Resilienz: Mit den richtigen Werkzeugen sind Kinder besser gewappnet, um Rückschläge zu meistern und gestärkt daraus hervorzugehen.
- Stärkere Beziehungen: Ein besseres Verständnis für die eigenen Emotionen führt auch zu mehr Empathie und besseren sozialen Fähigkeiten.
- Mentale Gesundheit: Indem sie Gefühle erkennen und benennen können, lernen Kinder, emotionale Belastungen frühzeitig zu identifizieren und zu bewältigen.
Auch für uns Erwachsene bieten diese Bilder einen Zugang zu mehr Achtsamkeit im Alltag. Manchmal reicht es, innezuhalten und das Bild einer Schneekugel vor Augen zu haben, die nach wildem Schütteln langsam zur Ruhe kommt. Genau wie die Schneeflocken in der Kugel dürfen sich auch unsere Gedanken und Gefühle setzen – und am Ende erkennen wir, dass wir, genauso wie unsere Kinder, die Fähigkeit zur Selbstregulation in uns tragen.
Ich hoffe, der Beitrag hat dir wertvolle Impulse für einen achtsameren Umgang mit den Gefühlen deiner Lieben und deinen eigenen geben können!
Alles Gute auf deinem Weg, Melina
Gastautorin Melina Offenburger
Ich bin Melina – Psychologin und diplomierte Mentaltrainerin. Ich helfe Menschen dabei, in unserer herausfordernden Welt wieder mehr zu sich selbst zu finden und ein Leben im Einklang mit ihren wahren Bedürfnissen zu führen. In meinen Online-Mentaltrainings und meinen Online-Ressourcen wie z.B. dem Wirklich Leben Podcast kombiniere ich psychologische Methoden mit einem ganzheitlichen Ansatz, der Körper und Geist verbindet und uns hilft, wieder im hier und jetzt zu leben.
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