Die meisten Eltern kennen das: Der Kopf hört einfach nicht auf. Gedanken jagen einander, Pläne stapeln sich, jede Entscheidung zieht fünf weitere nach sich. Mütter spüren das oft extrem, aber auch Väter sind längst mitten drin. Überdenken, planen, organisieren ohne Pause.

Diese Dauerbelastung hat einen Namen: Mental Load.

Und Mental Load macht etwas mit uns. Er stresst, laugt aus, nimmt uns die Freude, und irgendwann wird der Körper laut: Schlafstörungen, Gereiztheit, Verspannungen, emotionale Abstürze. Man könnte fast sagen: Viele Eltern bewegen sich gefährlich nah an der Erschöpfungsgrenze.

Doch woran liegt das? Und wichtiger: Wie kommen wir da wieder raus?

Was ist Mental Load wirklich?

Mental Load ist alles, was im Kopf passiert: die unsichtbare Planungsarbeit.

Wann muss das Kind zum Zahnarzt?
Ist noch genug Hafermilch im Kühlschrank?
Wie organisieren wir die Ferien?
Was, wenn das Kind krank wird? Wer bleibt zu Hause?
Habe ich daran gedacht, Ersatzklamotten in die Kita zu packen?

Ein Gedanke wird zu zehn Gedanken, dann zu hundert. Aus einem Tag wird eine Woche, aus einer Woche ein Monat. Wir planen für später, für irgendwann. Für ein „später“, das eigentlich niemand richtig versteht.

Wir versuchen, das Leben zu kontrollieren und verlieren dabei den Moment.

Mental Load bei Eltern

Warum wird Mental Load heute toxischer denn je?

Wir leben in einer Welt des „Weiter, schneller, mehr“.
Effizienz ist das höchste Gut.
Und wir als Eltern? Stecken mittendrin.

Doch es gibt eine Sache, die niemand jemals mit uns geübt hat:

Wie schalte ich meinen Kopf aus?

Kein Elternhaus, keine Schule, keine Ausbildung hat uns beigebracht, wie wir:

  • Erwartungen loslassen
  • Verantwortung teilen
  • uns mental erholen
  • uns nicht mit der Zukunft überfordern

Ich habe es schmerzhaft begriffen, als meine Tochter „später“ nicht verstand. Für sie gibt es nur jetzt. Zeit ist für Kinder abstrakt, eine Erfindung der Erwachsenen.

Und doch füllen wir unsere Köpfe mit:

  • nächster Woche
  • nächstem Jahr
  • der Frage: „Was, wenn…?“

Das Problem: Das Leben interessiert sich nicht für unsere Pläne.

Frustration: Der größte Energieräuber

Warum macht Mental Load so müde?

Weil kaum etwas so eintritt, wie wir es uns ausmalen.

Die Kita ist zu.
Die Bahn hat Verspätung.
Das Kind wird krank.
Der Partner vergisst den Arzttermin.

Und in uns passiert:

„Ich habe so viel Zeit in diese Planung investiert und trotzdem scheitert es!“

Frustration frisst Kraft.
Nicht das Leben ist anstrengend, der Widerstand dagegen ist es.

Mental Load bei Eltern

Elternsein: Ein ständiger Crashkurs in Kontrollverlust

Gerade als Eltern erleben wir täglich:

  • Wir können nicht alles steuern.
  • Wir können nicht immer funktionieren.
  • Wir können nicht perfekt sein.

Und doch:

Wir versuchen es weiter. Weil wir denken, dass Liebe bedeutet:

alles zu managen
alles vorauszuahnen
alles abzufedern

Doch Liebe entsteht nicht durch Kontrolle. Sondern durch Präsenz.

Wie kommen wir da raus?

Die wichtigste Erkenntnis: Mental Load ist kein persönliches Versagen. Er ist ein gesellschaftliches System, aber wir können lernen, mit ihm umzugehen.

Hier sind Strategien, die helfen:

1. Anerkennen, was ist

Sag dir selbst: „Ich bin überlastet und das ist verständlich.“

Ohne Anerkennung gibt es keine Veränderung.

2. Teile Verantwortung, nicht Aufgaben

Mental Load ist NICHT:
✔ „Mach bitte den Einkauf“

Mental Load ist:
✘ „Denk daran zu planen, was wir brauchen, damit alle happy sind“

Die Planung muss gemeinsam verteilt werden.
Nicht die To-Dos, die mentale Last.

3. Kommuniziere, konkret und ehrlich

Viele Eltern laufen mit dem Gefühl herum:

„Keiner versteht mich.“

Aber: Wie oft hast du wirklich erklärt, was in dir los ist?

Ein Anfang kann sein:

  • „Ich bin gerade voll im Kopf.“
  • „Ich brauche Unterstützung. Welche Aufgaben kannst du übernehmen?“
  • „Kannst du diese Planung komplett übernehmen, inklusive Denken?“

4. Zeit begrenzen, bewusst Pausen setzen

Was Profisportler wissen, verlernen Eltern:

Regeneration ist Pflicht.

Und ich meine nicht „Scrollen, bis die Augen zufallen“. Sondern echte Erholung:

  • Spaziergang ohne Handy
  • 10 Minuten bewusst atmen
  • Bewegung, die Spaß macht
  • Menschen, die nähren statt kosten
  • Mikro-Rituale der Entlastung

5. Perfektion verabschieden

Fehler sind kein Feind, sondern ein Hinweis:

Du bist ein Mensch. Du darfst:

  • Unterlagen vergessen
  • unpünktlich sein
  • Nudeln mit Ketchup servieren
  • einen „Chaos-Tag“ haben

Eltern sein heißt nicht perfekt sein. Eltern sein heißt lieben und lernen.

6. Den Moment einladen

Erinnerung für jeden Tag:

Die Zukunft existiert nicht. Es gibt nur jetzt.

Einmal tief durchatmen.
Ein Blick ins Kinderlachen.
Ein kurzer Stopp im Alltag.

Hier kommt Achtsamkeit ins Spiel: Sie ist kein Luxus, sondern Rettungsanker. Sie hilft, den Kopf auszuschalten und vom Denken ins Spüren zu kommen. Plötzlich bemerkst du die Wärme der Sonne auf der Haut, das Lachen deines Kindes, den eigenen Herzschlag. Diese Momente nähren dich, bringen Ruhe in das Gedankenkarussell und machen dich widerstandsfähiger gegen den Mental Load.

Das ist der Ort, an dem Verbindung entsteht.

Mental Load ist kein Einzelkampf

Was Mental Load am gefährlichsten macht?

Isolation.

Wenn wir glauben:

„Ich muss das alleine schaffen.“

Dann verlieren wir den Kontakt zu anderen und zu uns selbst.

Darum mein Herzensappell:

? Sprich darüber
? Teile, was schwer ist
? Lass dich unterstützen

Wir Eltern sitzen im selben Boot, wir müssen nur aufhören, allein gegen die Wellen zu paddeln.

Schlussgedanken

Mental Load frisst Energie, Zeit, Freude und Gesundheit. Aber wir können gegensteuern.

Nicht durch mehr Kontrolle, sondern durch mehr Loslassen.
Nicht durch mehr Planung, sondern durch mehr Vertrauen.
Nicht durch mehr Perfektion, sondern durch mehr Menschlichkeit.

Wenn du heute nur einen Gedanken mitnimmst, dann diesen:

Deine Kinder brauchen keine perfekt geplanten Tage. Sie brauchen dich, echt, präsent, unperfekt.

Gastautor Witalij Deifel

Gastautor Witalij Deifel

Witalij ist zweifacher Vater und kennt den täglichen Spagat zwischen Verantwortung, Belastung und dem Wunsch, ein guter Mann, Papa und Vorbild zu sein. Nach eigenen Erfahrungen mit Burnout und extremen Herausforderungen weiß er, wie wichtig es ist, sich weiterzuentwickeln, Hilfe anzunehmen, generationsübergreifende Themen aufzulösen und echte Präsenz für die Familie zu schaffen.

Aus dieser Erfahrung heraus begleitet er Väter dabei, Klarheit im Chaos ihrer Gefühle und Gedanken zu finden und gestärkt zu dem Vorbild zu werden, das sie sich als Kinder selbst gewünscht hätten – um diese Klarheit auch an ihre eigenen Kinder weiterzugeben.

Witalij – Der Friedvolle Krieger
Familienvater & Coaching für Väter

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