Wo Kinder sind, ist immer was los. Und genau das lieben wir doch so an ihnen! Aber das Leben mit Kindern kann auch ganz schön anstrengend sein – zum Beispiel, wenn die Lieblingssocken verschwunden sind, das Toastbrot auf den Boden gefallen ist oder der Turm aus Bauklötzen mit lautem Krachen einstürzt.

Wahrscheinlich weißt du selbst, dass Konflikte mit Kindern schneller entstehen, als du „Stopp“ sagen kannst. Aber weißt du auch, wie du sie lösen kannst, ohne dass der Streit eskaliert?

Viele Eltern stoßen dabei an ihre Grenzen. Deshalb möchte ich dir in diesem Artikel zeigen, wie dir Achtsamkeit dabei hilft, Streit mit Kindern friedvoll zu lösen.

Los geht’s!

Warum selbst die besten Methoden nicht genug sind, um Konflikte zu lösen

Sicher hast du schon viele Methoden und Herangehensweisen kennengelernt und ausprobiert, die dabei helfen sollen, Konflikte zu lösen. Aber irgendwie funktionieren die alle nicht so hundertprozentig? Warum ist das so?

Der Grund dafür ist folgender: Meistens scheitert die Konfliktbewältigung gar nicht an einer Methode. Sondern an mangelnder Selbstreflexion und Gefühlskontrolle!

Konkret bedeutet das zum Beispiel…

  • Du fühlst sehr starke negative Emotionen und lässt dich von ihnen leiten
  • Du lässt dich schnell von starken Emotionen anstecken
  • Du reagierst „auf Autopilot“ und wendest gewohnheitsmäßige Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen an (z.B. schimpfen, weil du es aus deiner eigenen Kindheit so kennst)

Um das besser nachvollziehen zu können, hier ein kleines Beispiel:

Dein Kind will nicht in die Schule gehen und bekommt deshalb einen Wutanfall. Du stehst sowieso schon unter Zeitdruck, weil du zur Arbeit musst. Dann ruft auch noch dein Chef an und schiebt dir spontan einen Termin gleich um 8.30 Uhr in den Kalender. Unter Stress handelst du dann impulsiv und schimpfst mit deinem Kind – obwohl du das gar nicht wolltest. Dein Kind spürt den Druck, den du auf es ausübst und alles wird noch schlimmer…

Im Beispiel bist du weit davon entfernt, dich selbst und deine Gefühle zu kontrollieren. Aber Selbstreflexion und Gefühlskontrolle sind die Voraussetzungen für die erfolgreiche und friedvolle Bewältigung von Konflikten. Wenn diese beiden Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kann auch die beste Konfliktlösungs-Methode der Welt nicht greifen.

Und genau hier kommt die Achtsamkeit ins Spiel…

Warum hilft Achtsamkeit bei der Konfliktlösung?

Achtsamkeit hilft dir dabei, in stressigen Situationen die Kontrolle über deine Gefühle, dein Verhalten und deine Gedanken zurückzugewinnen.

Lass mich das genauer erklären:

Achtsamkeit ist nichts anderes, als den Moment bewusst wahrzunehmen, mit allem, was ist und ohne darüber zu urteilen. Dazu zählen deine Gedanken, Gefühle, deine Umgebung, dein eigenes Verhalten sowie das Verhalten der anderen um dich herum.

Besonders wichtig ist dabei der Teil „ohne darüber zu urteilen“. Denn die unvoreingenommene Sicht auf die Dinge hilft dir dabei, dich von deinen Emotionen und Denkweisen zu distanzieren. Gleichzeitig hilft dir Achtsamkeit, auch die Emotionen und Denkweisen deines Kindes ohne Bewertung wahrzunehmen.

Statt sofort impulsiv zu reagieren und mit deinem Kind zu schimpfen, öffnest du dir durch die achtsame, urteilsfreie Betrachtung selbst den Raum für Reflexion, Mitgefühl und Verständnis.

Du entkoppelst dich vom blinden Gefühlsrausch und bekommst wieder einen klaren Kopf. Du bekommst dein Verhalten wieder unter Kontrolle und kannst so agieren, dass ihr der friedvollen Lösung näherkommt, anstatt euch davon zu entfernen.

Konflikte mit Kindern lösen

5 Tipps, wie du bei Konflikten mit Kindern achtsam bleibst

Bestimmt fragst du dich jetzt: Aber wie kann ich das Ganze in der Praxis umsetzen? Wie genau sieht achtsames Verhalten dann aus, wenn der nächste Streit vor der Tür steht?

Ja? Dachte ich es mir doch! 😉 Dann sind die folgenden 5 Tipps genau das, was du brauchst.

Übrigens: Die Tipps funktionieren sowohl einzeln als auch in Kombination miteinander. Dir sind also keine Grenzen gesetzt, ob du lieber erstmal nur einen Tipp ausprobierst oder gleich alle zusammen.

Tipp 1: Gehe im Geist einen Schritt zurück

Sobald du merkst, dass Gefühle in dir hochkochen: Trete mental einen Schritt zurück, um dich von deinen Gefühlen zu distanzieren. Nimm dazu einfach einen tiefen Atemzug oder zähle langsam bis 10. Du kannst auch symbolisch einen echten Schritt nach hinten machen. Du wirst schnell merken, wie du dadurch wieder „abkühlst“, die Situation viel bewusster wahrnimmst und die Kontrolle über dein Verhalten zurückgewinnst, statt aus dem Impuls heraus zu handeln.

Tipp 2: Nimm deine Außenwelt bewusst wahr

Achtsamkeit bedeutet Wahrnehmen. Nimm also ganz bewusst deine Umgebung und deinen Körper wahr. Was passiert um dich herum? Wo bist du? Wie verhält sich dein Kind? Wie fühlen sich deine Nase, deine Hände, dein Bauch, deine Füße an? Gibt es Muskeln, die angespannt sind? Tut etwas weh? Konzentriere dich für ein paar Sekunden ganz auf alles, was du im Außen wahrnimmst.

Tipp 3: Nimm deine Innenwelt bewusst wahr

Wenn du die Außenwelt begutachtet hast, ist es naheliegend, auch deine Innenwelt anzuschauen. Spüre dazu in dich hinein: Was fühlst du? Alle Gefühle sind erlaubt und willkommen. Versetze dich in die Vogelperspektive und schaue auf deine eigenen Gefühle… Wo kommen sie her? Warum sind sie da? Welchen inneren Widerstand spürst du, dass negative Gefühle sich anstauen?

Beobachte einfach für einen Moment – aus einer neutralen, interessierten Haltung heraus. Kämpfe gegen deine Gefühle nicht an und versuche nicht, sie zu unterdrücken – das verstärkt die Gefühle nur. Akzeptiere sie einfach. Denn sobald du deinen inneren Widerstand aufgibst, verschwinden sie von selbst. Auch dein Körper reagiert darauf und verkrampfte Muskeln werden sich lösen.

Tipp 4: Mache dir bewusst, dass du die Wahl hast

Wir Menschen vergessen oft, dass nur wir selbst verantwortlich für unsere Gefühle sind. Wir sagen zwar Dinge wie „Du bist schuld daran, dass ich wütend bin!“ – aber in Wirklichkeit kann niemand einem anderem „Gefühle machen“, Auch dein Kind nicht. Du erzeugst deine Gefühle immer selbst! Je nachdem, ob du eine Situation als gut oder schlecht bewertest, entstehen gewisse Gefühle in dir.

Das bedeutet im Umkehrschluss: Wenn Gefühle zu 100% „hausgemacht“ sind, hast du immer die Wahl: Du kannst einen Streit mit deinem Kind als katastrophal bewerten, dich schwarzärgern und schimpfen. Du kannst den gleichen Streit aber auch bewerten mit „Das gehört eben dazu, mein Kind muss und darf noch lernen, mit Unzufriedenheit anders umzugehen. Ich helfe ihm dabei.“

Deine Gefühle fallen immer entsprechend deiner Bewertung aus und beeinflussen wiederum dein Verhalten.

Tipp 5: Versuche, dich in dein Kind hineinzuversetzen

Es ist so viel leichter gesagt als getan: Aber versuche dennoch zu verstehen, wie sich dein Kind gerade fühlt und warum es sich so verhält, wie es das gerade tut.

Kinder im Alter bis zu 7 Jahren zum Beispiel können ihre Gefühle nicht kontrollieren. Sie sind das Gefühl! Es nimmt sie vollkommen ein. Sie haben in ihrem jungen Alter noch nicht die Möglichkeit, aus einem Gefühl „rauszuzoomen“ und wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen. Das Gefühl muss einfach durchlebt werden.

Mache dir auch bewusst: Dein Kind tut nie etwas gegen dich, sondern immer für sich! Wenn dein Kind wütend ist, konnte gerade ein wichtiges Bedürfnis nicht erfüllt werden.

Um an dieser Stelle nochmal auf das Beispiel weiter oben zurückzukommen: Vielleicht möchte dein Kind nicht zur Schule, weil es Angst vor der Klassenarbeit hat. Oder den Sportunterricht nicht mag. Oder dein Kind hatte einen schlimmen Albtraum und sucht die Nähe zu seiner Mama. Es kann zig Gründe geben. Mit Sicherheit aber möchte dein Kind dich nicht einfach ärgern!

Wenn du diesen Gedanken im Hinterkopf behältst, kannst du auf den nächsten Streit sicher viel gelassener reagieren.

Tipp 6: Achtsame Kommunikation

Wenn du die 5 Tipps bis hierher umsetzt, verändert sich deine Kommunikation bei Konflikten mit deinem Kind wahrscheinlich sowieso schon zum Positiven. 😉 Aber gerade die Art, sich auszudrücken, hat einen enormen Einfluss auf den Verlauf eines Konfliktes. Deshalb möchte ich nochmal kurz darauf eingehen.

Wie also funktioniert achtsame Kommunikation? Es handelt sich dabei zum großen Teil um Kommunikationsmuster, die auch bei der gewaltfreien Kommunikation angewendet werden:

  • Beschreibe die Situation aus der achtsamen Beobachtung heraus. Beispiel: „Ich sehe, du möchtest nicht zur Schule gehen…“
  • Drücke deine Gefühle als ICH-Botschaft aus. Beispiel: „Das setzt mich unter Druck…“
  • Erkläre das Bedürfnis, welches dieses Gefühl auslöst. Beispiel: „…weil es mir wichtig ist, pünktlich bei der Arbeit zu erscheinen, damit mein Chef nicht wütend ist.“
  • Versuche, mit deinem Kind gemeinsam eine Lösung zu finden. Du kannst gerne eigene Lösungsvorschläge machen. Beispiel: „Was können wir machen, damit es dir wieder besser geht?“ oder „Was hältst du davon, wenn wir jetzt noch deinen Teddy holen, und du darfst ihn mit in die Schule nehmen?“ oder auch „Würde es dir helfen, wenn wir jetzt noch 5 Minuten kuscheln, und danach fahren wir in die Schule?“

Am wichtigsten ist auch hier der Achtsamkeits-Grundsatz Nummer 1: Nicht urteilen! Weise deinem Kind keine Schuld zu durch Aussagen wie „Du machst mich wütend!“ oder „Du bist schuld, dass ich zu spät zur Arbeit komme!“.

Und nun: Viel Spaß beim Ausprobieren der Tipps! 😊

P.S: Du willst noch mehr darüber lernen, wie du Konflikte mit deinen Kids am besten lösen kannst?

Das Thema Achtsamkeit und friedvolle Konfliktlösung interessieren dich? Oder du hast das Gefühl, du scheiterst trotz der besten Tipps und Ratschläge immer wieder an der gleichen Stelle? Dann könnte ein Konfliktcoaching das Richtige für dich sein. Dabei nimmt der Coach dich an die Hand, zeigt dir neue Perspektiven und Möglichkeiten auf, wie du mit deiner persönlichen Situation besser umgehen kannst und Konflikte leichter bewältigst.

Und das Beste daran: Du erarbeitest Lösungen, die perfekt auf deine persönlichen Konfliktthemen und Bedürfnisse (oder die deines Kindes) zugeschnitten sind. Die meisten Coaches bieten ohnehin ein kostenloses Erstgespräch an – sich zu informieren kann also nicht schaden.

Tara Hanke GastautorinÜber die Autorin:

Tara Hanke ist Resilienz-Trainerin und Entspannungscoach. Auf traincomed.de und coachinglovers.com schreibt sie rund um die Themen Achtsamkeit, Konfliktbewältigung, Stressmanagement und Resilienz.